Im Labyrinth des dunklen Waldes | Prosa 2



Im Labyrinth des dunklen Waldes

Der dunkle, schwarze Wald verschluckt mich, hält seine Äste für mich auf, lässt mich tiefer und tiefer in ihn dringen, verhindert Stolpern und Stürzen in der Finsternis, trinkt meine Angst und meine Schuld, die wie Dunst aus meiner Aura strömen, stützt mich, liebt mich, löst alles in mir aus, was sonst so tief verborgen bleibt. Im Alltag. In der Scheinwelt. An der Sonne. Sich versteckend vor dem Licht, seine blitzenden Zähne nur im Traum zeigend, mich zweifeln lassend, an mir, der Welt, dem ganzen Universum, daran, dass es uns wirklich gibt.
Ich verblasse bald, im dunklen Wald, muss nicht mehr existieren. Will es nicht. Darf es nicht. Bin wertlos für die Welt und für das Licht. Doch wertvoll für ein unsichtbares Wesen.
Je tiefer ich dringe, je dunkler es wird, je lauter die Schreie der Wesen der Finsternis um mich herum werden, desto weniger erkenne ich mich wieder, erkenne denjeniger wieder, der vor langer Zeit in meinem inneren Ozean ertrank.
Je mehr ich mich verirre, im düsteren Dickicht aus Ästen, Laub und schillender Finsternis, desto mehr erkenne ich den Weg in meinem inneren Labyrinth, erkenne die verschlungenen Pfade, die im Traum zu leuchten beginnen, die ganze Welt und alle Seelen miteinander vernetzen und uns alle heimführen können, wollen, werden.
Dieses Labyrinth macht mich langsam verrückt, einsam, paranoid. Und als ich erkenne, dass mit der Verrücktheit auch die Liebe wächst, habe ich das Gefühl eine völlig neue Art von Licht in der Dunkelheit erkennen zu können.
Nicht die Irrlichter, die mich neckisch durch das Labyrinth jagen wollen, nicht die verlorenen Seelen, die am Meeresgrund nach Vergebung wimmern und auch nicht die Sonne, die unseren Wahnsinn ebenso verbrennt wie sie unsere Träume als Schicht aus Asche auf den Spiegel unserer Seele legt, die verbrannte Liebe zu uns selbst.
So wie das Wasser mich Tropfen um Tropfen zu sich nimmt, mich zu dunkler Liebe in den Wellen der Meere macht, so wuchert der dunkle Wald immer weiter, in mir, aus mir heraus, um mich herum, bis es keinen Ausweg mehr gibt, ich eins mit seinen Wurzeln werde, das gleiche Wasser trinke, die gleichen Stimmen höre, seine Stille, seine Ruhe, seine Macht teile, verschwinde, mich auflöse, verschluckt werde, endlich ein weiteres Mal ich selbst bin.
Im Labyrinth des dunklen Waldes werden wir verrückt, finden uns selbst und erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält.



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