Mit diesem Artikel möchte ich eines meiner Hobbys vorstellen, sowie ein geplantes Format auf meinem Youtube-Kanal ankündigen: Let’s Urbex.
Beim Ausdruck „Urbex“ handelt es sich um eine sog. Kontaminationsbildung (geläufiger: ein Kofferwort) der Wortverbindung „Urban Exploration“, was ein relativ modernes Hobby beschreibt: Man sucht sog. „Lost Places“ (Verlassene Orte) auf, und sowohl das Entdecken als auch das Erkunden dieser Orte gehört zu den Aktionen eines Urbexers.
Urban Exploration […] ist die private Erforschung von Einrichtungen des städtischen Raums und sogenannter Lost Places. Oftmals handelt es sich dabei um das Erkunden alter Industrieruinen, aber auch Kanalisationen, Katakomben, Dächern oder unzugänglicher Räumlichkeiten ungenutzter Einrichtungen. Der Begriff wird jedoch durchaus auch für die Erkundung zugänglicher Orte wie Parks verwendet.
Diese kurze Definition aus Wikipedia gibt einen ersten guten Eindruck davon, wie weitläufig der Begriff verwendet werden kann. Tatsächlich aber wird er vielmehr von der Pragmatik der Szene definiert, was durch die Beschreibung der Motivation verdeutlicht wird:
Für die meisten Urban Explorer […] liegt die Motivation neben der Entdeckung und Dokumentation der Objekte, in der Ästhetik und Romantik, die jene Orte mit sich bringen sowie im Erlebnis einer authentisch-historischen Atmosphäre. Zudem wird die eintretende Verwilderung und der Verfall nach dem Verlassen ehemals genutzter Anlagen und strukturierter Betriebe sowie der Kontrast zu moderner städtebaulicher Investition und Ordnung als entspannende und befreiende Zivilisationsflucht beschrieben.
(Ninjalicious: Access All Areas: A User’s Guide to the Art of Urban Exploration. Infilpress 2005)
Tatsächlich beschreibt dieser Absatz ziemlich gut, welche Aspekte mich für dieses Hobby begeistern. Die Rezeption der Objekte als ästhetisch und in einem Kontrast (oder manchmal sogar: einer Antithese) zwischen Mensch und Natur, führte dazu, dass die Szene vor allem von der Fotografie als Manifestation lebt. In der Tat sind alle Aspekte dieser Objekte dankbar fotografisch abbildbar, so dass es unzählige Fotografen zu geben scheint, die sich auf „Urbex-Fotografie“ spezialisiert haben.
Ich erwähne das dezidiert, da ich – obwohl ich selbst gerne fotografiere – mich nicht in dieser Art der Urbexer-Szene sehe und das auch die folgenden Videos besser erklären könnte: Für mich geht es nicht nur um den ästhetischen Augenblick, sondern vielmehr um das Erlebnis der Entdeckung und der Erkundung.
Für den Leser, der noch nie etwas von „Urban Exploration“ gehört hat, dürfte trotzdem noch nicht alles klar sein, denn ich glaube, es handelt sich im weitesten Sinn (zumindest habe ich das bei meinen Mitmenschen bisher immer so erlebt) um eine vollkommen andere Welt. Wer dazu keinen Bezug hat, weiß nicht mal, dass die Grenze zum Lost Place schwimmend verläuft und dass wir stetig von ihnen umgeben sind, selbst in einer dicht besiedelten Großstadt. Ich höre dann oft Aussagen wie
Wo findest du diese ganzen Lost Places immer? Seit ich von dir davon gehört habe, halte ich ständig die Augen offen, aber ich sehe nichts!
und erkenne darin direkt das Unvermögen die Augen in der Art und Weise zu öffnen, wie es dafür notwendig ist. Wir rennen Tag für Tag von A nach B und meistens nehmen wir auch noch den immer gleichen Weg; würden wir einmal eine Seitenstraße nehmen, uns umsehen, den Schritt verlangsamen und nicht nur die Mauern der Gebäude mit unseren Blicken streifen, würde uns auffallen, dass so gut wie allem zu einem gewissen Teil die Energie des Verlassenen an sich haftet. Vielleicht weil es in der Natur der Dinge liegt, zu vergehen. Vergessen zu werden, mit der Zeit.
Ich finde es spannend, diese Energie zu fühlen. Das kann sowohl der kleine Hinterhof des Nebenwohnkomplexes sein, auf dem einsam ein Federwipptier verrostet, auf welchem hin und wieder noch ein Kind reitet, als auch die verlassene, vor Jahrzehnten stillgelegte S-Bahn-Station, auf deren Gleise bereits erwachsene Bäume hervorbrechen. Der Unterschied besteht nur an der Oberfläche. An der Perspektive, am Bildausschnitt und an der Art der Wahrnehmung.
Das Thema „Urban Exploration“ hat allerdings trotzdem mittlerweile eine gewisse Popularität erreicht. Zum Teil lässt sich das durch das seit den Anfang 2000ers immer bekannter gewordene Geocaching erklären. Zum Teil aber auch durch die doch recht weitgefächerte Medienpräsenz; nicht nur Sachüber, Bildbände, Kalender und Reiseführer, sondern auch Prosa zum Thema allgemein sowie Berichte zu speziellen, legendäre Lost Places, lassen sich in der Literatur finden. Zusätzlich wird das Thema auch im Film dezidiert aufgegriffen und einer größeren Masse spätestens nach dem Kinofilm „Lost Place“ aus dem Jahr 2013 zugänglich gemacht.
Mit „Let’s Urbex“ möchte ich zum Einen versuchen die oben beschriebene Atmosphäre einzufangen, zum Anderen euch einfach nur bei der Erkundung eines solchen Ortes mitnehmen – obwohl ich weiß, dass diese Art von Videos in der Szene eher verpöhnt sind.
Bevor das erste richtige „Let’s Urbex“-Video online steht, könnt ihr euch mit dem Intro/Teaser dazu ein Bild machen: Direktlink zum Let’s-Urbex-Teaser auf Youtube.
Dabei ist mir wichtig zu erwähnen, dass nicht der Stil der Reihe an sich abgebildet wird. Wenn ich euch beim Erkunden selbst mitnehme, will ich kommentieren und so wenig wie möglich schneiden oder über Musik die Atmosphäre manipulieren. Den Artikel zu dem ersten richtigen Video der Reihe mit genaueren Ausführungen dazu, gibt es hier: Let’s Urbex – Die erste Location.
Creepy, aber auch end schön. Die Kerze am Ende, wow.
Das Hauptvideo wird vermutlich seeeeehr viel weniger creepy – was die Musik alles ausmacht… Das mit der Kerze war wirklich interessant… Sie war ja auch nicht aufgestellt und vollkommen unbenutzt. Es ist immer wieder faszinierend für mich, was an solchen Orten bleibt oder zu ihnen getragen wird, während um diese Objekte herum alles leer bleibt…
Hat wirklich eine gruselige Stimmung. Wenn ich nicht wüßte, dass Du hinter der Cam stehst, würde ich jede Sekunde erwarten das irgend ein Zombie oder so ins Bild springt.
Da ihr euch alle so sehr gruselt, muss ich vielleicht doch mal überlegen ein Video zu machen, das genau diesen Sinn hat :)