Die Wiese der Erlösung (Teil 1) 2


Weil es das nun schon soooo lange nicht mehr gab, aus rein sentimentalen Gründen also, da das ja definiert kein Hauptaspekt des Morphoblogs mehr sein soll, hier mal wieder eine kleine Morphogeschichte, die sogar aus zwei Teilen besteht; damit der Beitrag nicht zu lang wird, wird er in zwei Teile geteilt.


An einem der vermeintlich letzten sonnigen Tage im September 2015 raffte ich mich nach knapp einer Woche Flachliegen und Kranksein auf, um zu meiner Familie durch den Perlacher Forst zu radeln. Die ersten Kilometer auf dem Rad fühlten sich direkt sehr gut an und ich merkte schnell, wie schon unzählige Male zuvor, wie viel Energie und Kraft mir diese Fortbewegung gibt.
Im Wald angekommen wurde sofort klar, wie schön der Tag tatsächlich ist – auf der einen Seite durch die strahlende Sonne und die surrenden Insekten, auf der anderen Seite durch die Scharen an Spaziergängern. Der asphaltierte Hauptweg durch den Wald war – wie immer an schönen Sonntagen – ziemlich überlaufen.
Ich überlegte deswegen einen kleinen Umweg zu fahren – beinahe parallel zum Asphaltweg über die Kieswege. Das hätte den Vorteil gehabt, dass ich an meiner Lieblingswiese vorbeigekommen wäre: eine große, offene Fläche mit (manchmal sehr hohem) Gras und Wildblumen, vereinzelt Apfelbäumen, eingezäunt von einigen Bäumen und spärlich aufgestellte Holzbänke. Viel zu groß für eine Lichtung und auch viel zu angelegt wirkend.
Erst vor ein paar Wochen hatte ich hier ein Foto gemacht, das einen Herbstgruß darstellen sollte:

Herbstbotschaft

Herbstbotschaft

Ich war schon sehr oft dort gewesen, in den letzten Jahren, und hatte sowohl sehr schöne, gesellige Momente dort, als auch spirituelle Erfahrungen.
Ich lag einmal nachts dort, zusammen mit meiner damaligen Freundin, und habe dort die bisher größte, feuerballähnlichste Sternschnuppe, die ich je gesehen habe, beobachten dürfen. Während wir in den Himmel schauten und die Sterne bewunderten, braute sich vor uns, hinter den Bäumen, ein Gewitter zusammen, doch außer den Blitzen bekamen wir davon nichts mit. Es war, als lägen wir in einer Glaskugel, an deren Wänden sich die Stürme und Blitze brachen und sich hin und wieder Sternschnuppen in unser Blickfeld schoben, an der Glaswand zerberstend.
Als ich etwa ein Jahr später wieder nachts, diesmal alleine, an der gleichen Stelle lag, hatte ich einen der verbundensten Momente mit dem Wind, den ich bisher erlebt habe und tatsächlich war das große Gefühl dabei die Erlösung. Nicht der Frieden, nicht die Vergebung. Die Erlösung.

Ich dachte daran, was ich mitnehmen würde, würde ich den Umweg fahren. Ein Foto machen, kurz über sie laufen, mich erinnern, schwelgen, sentimental werden, dem Wind lauschen, nur dran vorbeifahren?
Ich entschied mich dagegen, ich musste sowieso bald auf den Kiesweg in die andere Richtung abbiegen.

Auch hier war jedoch noch viel los. Das war nicht per se schlimm, es ist nur ein wichtiger Punkt für das, was einige Minuten später passierte:
Obwohl ich relativ schnell unterwegs war, wurde ich an einer Waldwegkreuzung, etwa zwei Kilometer weiter, von einer älteren Dame mit energischen Winkbewegungen aufgehalten. Mein erster Gedanke war, ob ich vielleicht irgendeinen kleinen Hund auf dem Weg übersehen habe und im Begriff war, diesen zu überfahren.
Ich bremste recht abrupt neben ihr und sie entschuldigte sich direkt und lächelte mich an, bevor sie ansetzte nach dem Weg zu fragen. Ich verstand tatsächlich nicht, wieso sie direkt mich ansprach, wobei doch so viele andere Leute zu Fuß unterwegs waren, die ihr sicher genauso gut und schneller hätten helfen können.

Am Aufbau der Geschichte könnte man vielleicht schon erahnen, nach welchem Weg sie fragte:

„Können Sie mir helfen? Wissen Sie, wie ich zu dem großen Asphaltweg komme?“
„Es gibt zwei durch den Wald – wo genau wollen Sie denn hin?“
„Ich will zu einer großen Wiese, die Erlösungswiese, an der ich öfter bin – Sie wissen sicher nicht, welche ich meine. Aber wenn ich weiß, wie ich zum Hauptweg komme, find ich hin. Immer geradeaus, oder?“
Ich war ein wenig überrascht, dass sie mich genau nach dem Weg zu meiner Wiese fragte! Nicht, dass es so viele, große Wiesen in dem Wald gab, doch wir befanden uns gerade in eine anderen Teil und nicht gerade nebenan, und das, zusammen mit meinen vorherigen Gedanken, offenbarte sich für mich sofort als Synchronizität, als typische Morphogeschichte.
Ich erklärte ihr den Weg zur Wiese, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass sie tatsächlich meine Wiese meinte und fragte sie dann, als sie schon wieder zum Weitergehen ansetzte:
„Wieso eigentlich Erlösungswiese?“
„Ach, das ist lustig oder? Ich habe den Namen in einem alten Atlas gelesen, nirgendwo sonst, und er erschien mir sehr passend.“
Ich erzählte ihr, wie gut ich die Wiese kannte, dass ich nie über einen Namen nachgedacht hätte und auch nie einen dazu gelesen hätte, und sie begann, mir mehr über sich, ihr Leben, ihre Vergangenheit und ihre Liebe zur Natur und zum Wald zu erzählen, und wie sehr sie sich ärgern würde, viel zu selten dort zu sein, obwohl sie immer spüren würde, wie viel Energie ihr das geben würde. Ich konnte das nachvollziehen und wir redeten über die Mechanismen, die dabei wohl greifen und wie schade es war, dass man nicht einfach öfter seine Sachen packt und einfach in den Wald fährt, wenn er doch schon vor der Tür ist.
Wir unterhielten uns etwa eine viertel Stunde lang und es kam der Moment, an dem sie begann sehr persönliches aus ihrem Leben zu erzählen. Ich merkte dabei wieder einmal, wie leicht es mir anscheinend fällt, die Empathie herzustellen – dass sich eine fremde Person so sehr öffnet. Sie wurde traurig und erzählte davon, was sie bereute, dass sie immer einen starken Entdecker- und Abenteuerdrang im Leben hatte, diesen aber nie so, wie sie es gern gewollte hätte, ausgelebt hatte.
Ich erzählte ihr von meiner Fahrradreise in die Lieberoser Wüste letzten Sommer und sie wurde etwas angesteckt von meinen Ausführungen.
„Wissen Sie was? Ich werde mir nächste Woche zwei Tage freischaufeln, mein Rad nehmen, mein Zelt einpacken und irgendwo an einen See fahren und dort übernachten!“


Natürlich versuche ich bei solchen Begegnungen dann für mich herauszufinden, welche Botschaft dabei für mich besteht. Zum Einen denke ich hierbei an den Namen der Wiese, zum Anderen natürlich auch daran, ganz profan eigentlich, dass ich dort öfter hin sollte, wenn sie mir schon so gut tut. Alles Weitere, was mit konkreteren und persönlicheren Themen zu tun hat, muss ja hier nicht mehr Teil der Geschichte sein. Ich habe die Wiese auf jeden Fall in meinem Roman-Projekt 1/0 verarbeitet und womöglich wird sie dort einen neuen Auftritt mit Benamung bekommen.


Das war aber noch nicht die ganze Geschichte. Den zweiten Teil gibt es hier: Die Wiese der Erlösung (Teil 2)


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2 Gedanken zu “Die Wiese der Erlösung (Teil 1)

  • Rasmess

    Eine Teilung der Geschichte auf zwei Einträge find‘ ich gut. Zwei Aspekte in der Geschichte finde ich sehr spannend. Einerseits war die Dame auf dem Weg zu „ihrer“ Erlösungswiese, sprich es war nicht an der Zeit für dich dahin zu gehen? Oder spricht es nur für den unpersönlichen Charakter des Ortes. Besser überpersönlichen Charakter. Nein, nein das passt alles nicht. Vielleicht solltet ihr zusammen hingehen? Auf jeden Fall assoziiere ich die Erlösungwiese jetzt mit einem Vortex.
    Andererseits ist es doch seltsam, dass wir Namen sowenig beachten, dass wir diese erst gar nicht mehr vergeben oder ihnen gar nachforschen. Dabei können Namen auch Teil des Inhalts, elementar, wertschätzend, sinn- und brückenstiftend sein. Im Zeitalter der Massen verliert dieses essenzielle Element der Individualisierung irgenwie an Bedeutung, wenn es nicht um Produkte geht. Bevor ich hier noch auf das Thema Taufe eingehe…

    • Alex Autor des Beitrags

      Wie immer, danke für deinen langen Kommentar :)
      Ich denke, die Wiese hat mich bereits zu einer Erkenntnis geführt, die für mich auch ein wenig ‚Erlösung‘ beinhaltet (Stichwort HS, wir hatten darüber ja gesprochen ;).
      Was die Namensgebung angeht: das gebe ich dir Recht. Dabei waren (und sind schon auch noch) Namen immer wichtig – in der Magie, wo man beispielsweise Macht über eine bestimmte Energie (Aka Dämon) bekommt, wenn man ihren Namen kennt.
      Und irgendwie steckt im Namen ja auch ziemlich viel Information. Und auf jeden Fall, auch wenn es keine wichtige Information sein sollte (Was kann diese Wieso schon für eine Verbindung zur Erlösung haben?) ist in ihm eine Geschichte enthalten.