Der Titel ist womöglich etwas zu hochtrabend für das, was das hier sein soll: eigentlich nur eine Erklärung dafür, warum es mit den Fastentagebüchern einfach nicht weitergeht und auch sonst hier (mal wieder) so wenig passiert.
Zuallererst kann ich jeden beruhigen, der sich darum Sorgen macht, dass die angekündigten Teile nicht mehr erscheinen werden: Es existieren sowohl unheimlich viele Skizzen, die ich während des Fastens gemacht habe, als auch bereits eine grobe Struktur, die schon teilweise in Text umgesetzt wurde. Auch wenn ich mich mit jedem Tag wieder mehr aus dem Gefühl entferne, das während dieses meines Fastenrekords vorherrschte (und ich hoffe, das trotzdem noch adäquat in den kommenden Teilen beschreiben zu können) habe ich fest vor, diese Serie fertigzustellen.
Hauptgrund dafür, dass nach außen hin, immer schon, so wenig in meinen Projekten passiert, ist bestimmt der „Alltag“, zumindest an der Oberfläche, aber auch meine Art und Weise mit Projekten umzugehen. Letzteres ist aber nur der Grund dafür, dass es sich so manifestiert: dass ich so viele Baustellen habe, denen ich in so vielen verschiedenen und sich oft richtiggehend gegenseitig ausschließenden Gefühlsfacetten nachgehen muss.
Im Arbeitsalltag kann für mich die Spiritualität praktisch nicht existieren. Das Büro, die Menschen im Büro, die Technik, Computer und alles, was damit zusammenhängt, befindet sich in einer anderen Welt. In dieser Welt bewege ich mich, während ich mich in dieser „normalen“, westlichen, modernen Welt aufhalte. Und das nicht nur, weil ich dazu gezwungen werde. Das zu behaupten wäre falsch und das zu erkennen ist (und war schon immer) etwas, was ich niemals meistern konnte.
Ich liebe Technik, ich liebe die ‚oberflächlichen‘ Dinge des Seins, Computer, Datenbanken, Programmierung, Umsetzen von technischen Lösungen und lösen von Problemen, Filme, Serien, Computerspiele, Musik und all die Theorie dahinter, die Dramaturgie hinter dem Konsum, das Geflecht der Dinge, die eine moderne Welt ausmachen. Alles, was die meisten Esoteriker ablehnen würden. Vieles davon mag eine Art von Projektion, Ablenkung, Eskapismus, Manifestation von Unzufriedenheit oder das Füllen einer Leere sein – doch diese Erklärung ist zu einfach.
Dieser Konflikt in mir manifestiert sich immer noch in meinen Handlungen. Als ich in Holzhau war und dort die ersten drei Teile des Fastentagebuchs geschrieben habe, habe ich eine Lust und einen Spaß am Schreiben gefühlt, wie schon lange nicht mehr. Es muss dem Leser klar sein, dass ich wirklich lange an einem Teil gesessen habe, ungefähr ein bis zwei ganze Tage, mit Skizzierung, Ausarbeitung, Fotobearbeitung, Korrekturlesen usw. Auch wenn es nicht so scheinen mag, die Texte sind zwar runtergeschrieben, sie enthalten aber auch viel Konzeption in der Nachbearbeitung. Aber es hat wahnsinnigen Spaß gemacht und ich habe mir fest vorgenommen, mir viel mehr Zeit zum Schreiben zu nehmen und endlich mal einige neue Prosaprojekte anzugehen, die bisher nur als Skizzen existieren. Doch es ist nichts passiert. Das ist paradox. Und ich kann mich nicht entscheiden, ob ich hier nicht vielleicht zu streng mit mir bin: ich bin berufstätig, bewege mich in einer technisierten Welt, habe immerhin auch noch soziale Kontakte und habe auch nicht gerade wenig mit meiner gesundheitlichen Situation zu tun, für die ich versuche, jeden Tag Sport zu machen und das Verpassen des Interval-Hypoxie-Trainings nicht zu sehr einreißen zu lassen. Wenn ich es mal schaffe meine Mesa für eine Meditation rauszuholen, mit einem Stein zu arbeiten, nur 10 Minuten Flöte zu spielen, bin ich schon sehr glücklich. Dazu kommen andere Projekte, die zwar immer so halb vergessen im Hintergrund und von selbst laufen, wie z.B. mein Onlineshop für schamanischen Ritualbedarf – Intitaita, Ethnobotanica, Unus Zerum, Serienschau und einige, die ich gar nicht dezidiert erwähnen will. Ich würde gern mehr Youtubevideos machen, mal wieder ein Let’s Urbex, viel mehr lesen, noch mehr raus gehen, noch mehr Radfahren, viel mehr schreiben, doch wann?
Das hier soll nicht falsch rüberkommen: ich will nicht jammern. Genaugenommen bin ich an sich sogar zufrieden mit meinem „Aktivitätslevel“ seit ich aus Holzhau wieder zurück bin. Was ich sagen will, ist: mein Leben war immer schon sehr abhängig von Phasen und folgte immer schon einer gewissen Selbstmanipulationsenergie im Wechsel mit dem Gefühl alles toll zu finden und gleichzeitig tief deprimiert zu sein, aber ich habe noch nie so viel und so zielstrebig an so vielen Baustellen gleichzeitig gebaut, wie das aktuell der Fall ist.
Ich bin bestimmt überfordert und hin und wieder muss ich mich zurückhalten, nicht schon wieder etwas Neues zu beginnen, nicht schon wieder einer neuen fixen Idee aufzusitzen, in ein neues Thema einzusteigen, im Wissen, es sowieso nie tief genug verstehen zu können. Aber warum eigentlich? Wenn ich Lust habe an einem Abend Verschwörungstheorien zu recherchieren und am nächsten über verlorene Schätze zu lesen, die man noch finden könnte, und daraufhin wieder tiefer in die Quantenpysik einzusteigen, dann zu schreiben, dann zu zeichnen und dann Musik zu machen, so sollte ich das doch tun, oder nicht? Oder sollte ich es lassen, nur weil ich wüsste, dass es wohl sinnvoller wäre, genau jetzt etwas für den Morphoblog zu schreiben, immer wenn es möglich ist? Was würde dabei rauskommen?
Ich habe mich immer schon treiben lassen… doch wie lang sollte man sich in diesem Strom aufhalten? Wie lange kann man es? Ohne konkreten Plan, ohne Ziel? Und vor allem: mache ich das vielleicht nur, weil ich Angst davor habe, irgendeinen nächsten Schritt zu tun? Ich mich nicht verändern will?
Nun ist der Text doch noch komplizierter geworden, als ich es ursprünglich vorhatte und wird dem Titel vielleicht doch gerecht. Diese beiden Welten, von denen dieser spricht, das sind nicht Natur vs. Technik, nicht Virtualität vs. Realität, nicht Alltag vs. Spiritualität. Ich glaube, es ist die Bipolarität des Lebens, um die es tatsächlich aus einer anderen Perspektive auch in Teil V der Holzhau-Erzählung gehen soll. Es ist das Licht und die Dunkelheit in mir, das Licht und die Dunkelheit in jedem von uns. Die allgegenwärtige Tragik allen Lebens. Der alte Konflikt, der in meinem Herzen schwelt, der Riss in mir, der mich paradoxerweise im Innersten zusammenhält, während ich den gleichen Riss im Rest der Welt zu verstehen, zu lieben und zu heilen versuche.
Das Schreiben ist, und das habe ich in Holzhau als eine der großen Erkenntnisse mitgenommen, neben all den spirituellen Erfahrungen, den Visionen, den Heilungen für mich, meinen Vater und den Ertrunkenen, die eine große Möglichkeit für mich und die größte Kraft in mir, diesem Riss noch weiter näherzukommen.
Und auch wenn sich vermutlich deswegen etwas tief in mir immer noch dagegen wehrt, es voll und ganz zu leben, die Geschichten und Welten auszuschreiben, die in meinem Herzen existieren, so werde ich mein Bestens geben, damit zu arbeiten, dranzubleiben und das Tagebuch auf jeden Fall fortzusetzen.