Auf der Bussardlichtung | Morphogeschichte


Die Geschichte begann ja bereits vor einigen Monaten und ich erzählte bereits im letzten Eintrag von meiner Suche nach dem Bussardstein. Seitdem war ich – wie man in den Kommentaren zu dem Eintrag lesen konnte – noch einige Male dort und habe die Lichtung einfach nicht wieder gefunden. Zwei- oder dreimal irrte ich ca. 1-3 Stunden im Wald herum (auf dem Rad) und versuchte in meiner Verzweiflung zu spüren, wo ich lang muss.

Als ich das dritte Mal unterwegs war fand ich mich auf der Suche – wie meistens – an einem Ort mitten im Wald wieder, an dem ich bisher noch nie war und musste anhalten, weil mich irgendetwas dazu ermahnte… Ich habe das damals aufgeschrieben:

Ich war heute im Wald und hab noch mal versucht meinen Bussard-Stein wiederzufinden; irgendwann stand ich mitten im Wald und wusste überhaupt nicht wo ich war…
Normalerweise ist das kein Problem, passiert mir öfter, aber diesmal hab ich mich plötzlich sehr komisch gefühlt, irgendwie verloren und ich hatte das Gefühl niemals dort ankommen zu können, wo ich hin will… Ich war total traurig und auch ein bisschen sauer auf mich selbst, dass ich den Stein so verbissen suche, ihn aber einfach nicht mehr finde…
Ich hab mich ins Moos gelegt, weil ich einfach nicht mehr weiter wollte gerade, habe den Bäumen beim Schaukeln zugesehen und wurde sehr melancholisch… Ich weiß gar nicht genau warum, ich hatte nur plötzlich ganz stark das Gefühl liegenbleiben zu müssen und irgendetwas aufnehmen zu müssen und… geduldig zu sein.
Ich glaube, das ist ein ganz wichtiges Thema, das mir aufgezeigt wird: so geduldig ich mit der Welt um mich herum und anderen Menschen gegenüber meistens auch bin, so ungeduldig bin ich seit jeher mir selbst gegenüber…
Als ich da im Moos lag und mir klar wurde, dass da so ein Ungleichgewicht herrscht, hat sich alles angefangen zu drehen, wie ich es ja schon kenne. Ich glaube dieses Drehen ist ein Zeichen dafür, dass man gerade aktiv einen Kanal in eine höhere Ebene nutzt – zumindest vermute ich das bei mir.
Ich habe mich von den Bäumen sehr beschützt und getröstet gefühlt… Ich wünschte ich könnte das spüren, was mir von einer befreundeten Schamanin erzählt wurde: „den Herzschlag auf jedem Punkt der Erde unter sich spüren können“, aber das bleibt mir noch verborgen…

Als ich danach wieder aufs Rad stieg und weiterfuhr und um die nächste Kurve bog, machte ich eine Vollbremsung weil plötzlich ein Reh vor mir stand und mich – kurz, ganz kurz nur – mit großen Augen ansah, bevor es im Wald verschwand.

Ich habe die Lichtung seitdem nicht mehr gesucht, bis ich ein, zwei Wochen später zufällig um Mitternacht im Wald war. Ich weiß wie das klingt, doch es war wirklich so; ich war auf dem Heimweg, nachts, unter einem sternklaren Dreiviertelmond-Himmel und bog irgendwann intuitiv in den Wald ab… Da spürte ich schon, dass ich der Lichtung nah war, aber es war zu dunkel… Irgendwann war ich sogar der Panik nahe, weil ich nicht mehr wusste wo ich war. Ich fuhr einfach ohne zu denken einem Glühwürmchen nach und landete auf einer großen, überwucherten Wiese, die ich bereits kannte und legte mich einfach ins Gras… Ich hatte das Gefühl, dass die Energie bei Nacht noch einmal anders war, als tagsüber und während ich den Grillen zuhörte, sah ich in den dunklen Himmel und wieder begann sich alles zu drehen…

Ein paar Tage später wollte ich überprüfen, ob mein Gefühl die Nacht davor richtig gewesen war, und ich suchte ein weiteres Mal die Lichtung. Und ich fand sie. Wie sehr ich mich freute, endlich bereit den Stein zurückzubekommen, was hatte ich geleistet um ihn zu verdienen?

Als ich sie betrat kam der Moment der Ernüchterung: als ich den Stein dort liegengelassen hatte, gab es kaum Vegetation.

Jetzt war alles überwuchert. Überall kniehohes Gras, überall Zirpen und überall Käfer, Schmetterlinge, Ameisen, Libellen… Überall raschelte es. Ich ging zu dem Areal, an dem ich den Stein gelassen hatte und sah mich um… Ich sah Mäuse und Eidechsen davonhuschen… Aber ich fand keinen Stein. Unter der brütenden Nachmittagssonne suchte ich etwa eine Stunde lang und gab dann auf, meditierte noch eine Runde, hörte den Grillen zu, ließ mich immer wieder vom Rascheln neben mir verunsichern, und die ganze Zeit über krabbelten immer wieder Ameisen und Käfer auf mir herum, außerdem traktierten mich Bremsen und Mücken, so dass ich plötzlich lachen musste, über diesen Streich, über die Kolibri-Energie, die mich schrittweise an meinen Stein heranführte….
Ich dachte Die Bremsen stressen mich, was soll ich hier noch, was kann ich schon sehen, was soll ich sehen…? und blickte zum Himmel, wo ein Bussard über mir kreiste… Ich lachte, wieder, und beobachtete ihn, wie er sich immer weiter entfernte und sich eine schwarze, dicke Gewitterwolke in meine meine Richtung schob.

Etwa ein Monat verging seitdem. Ich hatte den festen Plan im Herbst wiederzukommen, wenn das Gewuchere weg sein würde.
Aber es zog mich hin, Anfang August, nicht sehr erfolgversprechend, wie man glauben möchte.

Die Lichtung sah eigentlich genauso aus wie das letzte Mal: total überwuchert. Aber etwas stach heraus. Eine kleine Staude lila-blühender Kornblumen, die einzigen auf der ganzen Lichtung, lachte mich sofort an, und ich ging hin und griff neben ihr ins dichte Gras; da war mein Stein :) Man sieht die Kornblume recht gut auf den Foto, das ich danach gemacht habe:

Ich setzte mich ins Gras, breitete meine Mesa aus. Über mir kreiste eine große Libelle. Immer wieder flog sie weiter, ich hatte das Gefühl sie wollte mir etwas zeigen, aber ich verstand sie nicht. Sie kam immer wieder.
Ich schloss die Augen. Keine Mücken, keine Bremsen, keine Ameisen, nichts störte mich und ich verlor mich immer mehr im allgegenwärtigen Zirpen der Grillen.
Zuerst rasselte ich leicht mit, aber irgendwann war ich vollkommen in der Frequenz der Umgebung gefangen. In der Hand hielt ich den Bussardstein, der ursprünglich eine Verknüpfung mit der Geduld hatte, doch ich spürte, dass nicht der Stein selbst, sondern nur sein Finden, das zu ihm geleitet werden, die Lektion in Sachen Geduld war; er selbst war die Führung, das Geleitet-werden, das Schließen der Augen im dunklen Wald, das Folgen dem Glühwürmchen, das Vertrauen der Libelle, das Ernstnehmen des Bussards und das Hinhören…
Ganz kurz erreichte ich einen Bewusstseinszustand, in dem sich alle Geräusche um mich herum zu einer einzigen Frequenz verschoben und dann aussetzten, ganz kurz. Ich hatte das schon einmal gespürt, am Wasser, als das Rauschen verschwand; eine Atempause im System. War ich damit herausgenommen, aus der Gleichung? Aus dem System? Außenstehend, nicht Teil des Ganzen?
Die Liebe, die ich in diesem Moment fühlte, war genau das Gegenteil:
Teilsein.
Verbunden-Sein.
Eins-Sein.


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