Fröhliche Stressnachten! 10


Alle Jahre wieder bietet sich das gleiche Bild:

Mit latent aggressiven Menschen überfüllte Geschäfte und Weihnachtsmärkte, gleichermaßen vermeintlich besinnliche als auch die immer wieder gleiche, unkreative Weihnachtsdekoration in allen Fensterscheiben, schreiende Kinder, die schon wissen, dass sie an Heiligabend wieder auf einem Berg von Geschenken sitzen werden, trotzdem aber gern noch mehr hätten und gestresste Erwachsene, die in Gedanken schon beim alljährlichen Zwist mit der Schwiegermutter sind und ebendiese (ihre eigenen) schreienden Kinder an der Kasse stehend ausblenden, das ist das letzte Jahr, an dem ich diesen Stress mitmache! denkend, aber genau wissend: nächstes Jahr wird wieder alles genauso sein.

Weihnachten.

Obwohl ich mich da seit einiger Zeit schon komplett raushalten darf, amüsiert mich das obige Bild jedes Mal aufs Neue. Aber nicht nur das Bild selbst. Besonders die Rezeption, die ich im letzten Satz angerissen habe, finde ich dabei spannend:

Während mir fast jeder bei dieser Beschreibung eifrig nickend zustimmen mag, ein Ja, schlimm ist das! auf den Lippen, verhalten sich alle gleichzeitig genau gegenteilig. Am besten sieht man das in den sozialen Netzwerken, bei den Bloggern und in den persönlichen Chroniken:
Während man sich im einen Moment über die Konsumschlacht zu Weihnachten beschwert, wird im nächsten ein Artikel geteilt, der die besten Last-Minute-Weihnachtsgeschenke aufzählt. Die einzigen, die besten, kaufen, sofort!

Diese Bigotterie ist schlichtweg unerträglich und ich möchte ihr hier mit meinen besten Last-Minute-Tipps zu Weihnachten begegnen, anstatt langweilige, zum hundertsten Mal durchgekaute und austauschbare Geschenktipps zu geben:

1. Schmeißt die Geschenke aus dem Haus!

Unter dem Weihnachtsbaum liegen noch bunt verpackte Geschenke? Gott, wie langweilig, jedes Jahr der selbe Unfug. Wie wäre es mal mit einem leeren Boden unter dem Baum? Nehmt die Geschenke, werft sie ungesehen aus dem Haus, macht ein großes Feuer und Fackelt den ganzen Quatsch ab. Es ist vermutlich sowieso nur Plastikmüll (Ja, man verbrennt Plastik nicht, gut gemerkt: dann mach halt ein Feuer und leg die Geschenke symbolisch daneben).
Die noch bessere Alternative: Lasst das mit den Geschenken gleich bleiben. Komplett. Keine Gutscheine, keine Gesten, kein „Zeit statt Zeug“. Warum leben wir unser Leben nach einem Kalender, der uns sagt, wann wir anderen etwas schenken sollen? Oder dürfen? Schenkt doch wann ihr wollt, wem ihr wollt, was ihr wollt und lasst euch nicht ständig so bevormunden!

2. Tanzt nackt um dieses Feuer!

Die Geschenke brennen und keiner weiß so genau, was er bekommen hätte? Perfekt! Zieht euch alle aus und tanzt laut singend (es darf auch ein Weihnachtslied sein) um das Feuer. Aber es ist kalt und es liegt vielleicht sogar Schnee? Toll! Dann könnt ihr gleich noch die Kälte umarmen und zwar so richtig und barfuß durch den Schnee laufen!
Übrigens: Das hat gar nichts mit Frevel zu tun, denn das Christentum selbst ist schon lange nur noch ein schwammiger Abklatsch ursprünglicher Werte, für die wir längst keine Steintafeln mehr brauchen – und tut mal bitte nicht so, als würde überhaupt ein „echter Christ“ (was immer das auch bedeuten mag) diesen Beitrag lesen.

3. Schmeißt den Baum aus dem Haus!

Am besten habt ihr gar nicht erst einen besorgt. Klar, Weihnachtsstimmung und Baum schmücken – das kann Spaß machen. Aber warum nicht mal was anders machen? Schmückt euren Zitronenbaum (das haben wir einmal gemacht), schmückt eure Katzen (na gut, das wäre nicht sehr nett), schmückt euch gegenseitig. Aber lasst doch die armen Tannen leben, anstatt die Massenbaumhaltung zu unterstützen und euch mit anschließenden Wucherpreisen verarschen zu lassen.

4. Setzt euch gemeinsam dorthin, wo einst die Geschenke lagen und habt eine tolle Zeit

Die ganze Familie unter dem Baum (oder eben nicht) auf dem Boden, bei Kerzenschein, geschmückt, ohne Geschenke, ohne Erwartungen. Stellt euch vor: ihr selbst seid die Geschenke. Spielt Monopoly oder Trivial Pursuit (DVD-Edition), hört Musik (90er-Rave vielleicht) und macht lustige Familie-unter-dem-Weihnachtsbaum-Selfies.
Um dieses Bild besser zu manifestieren könnt ihr euch z.B. gegenseitig in Geschenkpapier einpacken (Na gut, das ist kitschig).

5. Verlegt Weihnachten

Immer und immer und immer wieder der 24.12. Ist das nicht verdammt öde? Wie wär’s mal mit Weihnachten im August? Eine schöne, weihnachtliche Grillparty am See? Schwimmen im Weihnachtsmann-Badeanzug, nach Geschenken tauchen, rentierförmige Burger grillen.
Oder Weihnachten am 1. Advent und sich danach zurücklehnen. Schaut alle gestressten Weihnachtsmenschen in den Straßen komisch an und sagt immer wieder: Häh, Weihnachten war doch schon, spinnt ihr? Ein Spaß für die ganze Familie!

6. Macht am 24. etwas vollkommen anderes

Die ganze christliche Welt, die Weihnachten traditionell (und langweilig) feiert, sitzt also an diesem Tag mit der Familie zusammen, freut sich (nicht) über falsche Geschenke (Socken) und streitet sich mit ihren Schwiegereltern. Das bedeutet: der Rest der Welt ist leer. Und kann euch allein gehören!
Hier ein paar Möglichkeiten:
Lauft durch die leeren Straßen und stellt euch vor, die Zombieapokalypse wäre ausgebrochen.
Geht ins Kino und freut euch auf richtig leere Säle.
Geht ins Schwimmbad und freut euch über richtig leere Becken.
Verbringt den Weihnachtsabend in einem Flugzeug und freut euch über die Extradrinks, die ihr aus Mitleid spendiert bekommt (vielleicht Richtung Karibik oder nach Sri Lanka?
Hier sind die Möglichkeiten schier endlos.

7. Mischt psychoaktive Drogen ins Weihnachtsessen

Ihr würdet zwar gern etwas mehr Spaß haben, kommt aus der langweiligen Familiennummer aber nicht mehr raus? Nehmt eine Handvoll Zauberpilze und mischt sie in die Füllung der Weihnachtsgans. Die Dosis sollte so gering sein, dass die Schwiegereltern anstatt einer politischen Diskussion lieber eine philosophische führen wollen und sich jeder wohl fühlt.
Alternativ kann auch mit Haschkeksen oder DMT-Liquid gearbeitet werden.
Der Bonus: Das bringt die längst verlorengegangene Spiritualität in die Weihnachtszeit zurück.

8. Schwimmt in einem kalten Fluss

Geht raus und…- Moment, ich glaube dieser Tipp hat mit Weihnachten gar nichts zu tun. Das könnt ihr immer machen ;) Aber da ich aus dieser Nummer jetzt nicht mehr rauskomme:
Geht raus, stellt euch in einen kalten Fluss und singt „Kling Glöckchen Klingelingeling“. Dieses Weihnachten, an dem euch beinahe die Zehen (und andere Dinge) abgefroren wären, werdet ihr niemals vergessen!

9. Sei der Stein

Macht das Weihnachtsessen und den ganzen Mumpitz mit, aber tut so, als ob ihr ein Stein wärt. Sitzt nur da, redet nicht und wenn ihr was gefragt werden, dann zuckt mitleidig mit den Schultern. Wenn jemand ganz hartnäckig ist, dann versucht ihm aufzumalen, dass ihr heute ein Stein seid und entschleunigen müsst, inklusive aller philosophischer Randthemen dieser Entscheidung. Die Stimmung am Tisch wird grandios sein!

10. Im Ernst jetzt

Neben all diesen Tipps möchte ich den wichtigsten, ernstgemeinten Tipp nicht untergehen lassen:

Euch stresst Weihnachten? Dann ändert eure Einstellung und macht nicht jeden Scheiß mit, der auf der Basis von gesellschaftlicher Konvention und Tradition blind „gefordert“ wird. Wir sind frei (zum Glück!) und können tun, was immer wir wollen. Traditionen sind schön und gut, sollten aber niemals ihretwillen ohne Inneren Wert unhinterfragt nachgelebt werden. Auch weihnachtliche Stimmung ist toll, aber nehmt Weihnachten doch als das, was immer es für euch sein mag; für mich ist es: die ganze Familie zusammen und das ohne Geschenke (ja, das haben wir tatsächlich abgeschafft und seitdem ist es schöner als je zuvor!).
Und wenn ihr Weihnachten nicht im Streitgespräch mit eurer Oma verbringen wollt, dann tut es eben nicht!

In diesem Sinne: Fröhliche Rauhnacht!



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10 Gedanken zu “Fröhliche Stressnachten!

  • Ani

    Jetzt müssen wir nur noch die Kino- und Schwimmhallenbesitzer rum kriegen am 24.12. zu öffnen ;)
    Das klingt so richtig schön erfrischend und wie aus einem Guss nach lustiger Beobachtungsmission auf s Papier gebracht. Morgen werd ich jetzt sicher an den Stein beim Essen denken :D
    In diesem Sinne – harmonische Weihnachten! :)

  • Max

    Super gut! Wir haben auch schon seit Jahren keine Geschenke mehr, kann ich nur wärmstens empfehlen. Auch der Stein zu sein, kann ich nur empfehlen.

  • Johannes

    Wie schön, sehr treffend beschrieben.✔ Ich verschenke zu Anlässen generell nichts mehr, das ist wirklich super befreiend Ansonsten finde ich Weihnachten aber ganz nett. Bei Familienessen „Stein sein“ ist aber wirklich ein guter Tipp

    • Alex Autor des Beitrags

      Hi Johannes!
      Ja, ich finde Weihnachten an sich ja auch ganz nett – das musste nur mal raus :D
      Nichts mehr zu Anlässen zu verschenken ist auf jeden Fall sehr befreiend – leider ist es immer noch bei den meisten Menschen viel zu stark verbreitet. Aber wir brauchen allgemein viel weniger Konsum…

  • Zynki

    Ein richtig guter Artikel, den ich sehr gern gelesen habe!
    Vor allem den letzten Satz habe ich mir dieses Jahr ganz fest vorgenommen. Einerseits sollte ich es schaffen, andererseits gehört dieser gute Vorsatz genau zu diesen weihnachtlichen Zwänge, die mich stressen. … Hm, irgendwie kommt man so ganz ohne Stress nicht durch die Tage. Denn um den Stress an einer Ecke abzuschaffen, nimmt man den an einer andere in Kauf.

    Trotzdem sehr erfrischend und lustig, aber auch sehr ernst zugleich.

    • Alex Autor des Beitrags

      Dankeschön, das freut mich sehr, dass dir der Artikel gefallen hat :) Natürlich ist das alles nicht soooo ernst gemeint, im Detail.

      Ja, es stimmt natürlich: wir kommen nicht ohne Stress durchs Leben. Der meiste Stress entsteht wohl aus Zwängen von außen und wenn man es nicht gewöhnt ist, zu verstehen, dass man vollkommen frei sein kann, dann macht man sich auch Stress, wenn man diese Zwänge abzulegen versucht, denn dann kämpft man gegen etwas an und Kampf ist nie die Lösung. Aber jeder Schritt in diese Richtung verringert die Kraft dieser Zwänge beim nächsten Mal, glaube ich.

      Aber im Großen und Ganzen wollte ich wohl sagen: wir leben allgemein zu unbewusst und unreflektiert.Ich bin fest davon überzeugt, dass wir so viel wie möglich hinterfragen sollten, Strukturen, Traditionen und sogar uns selbst, und gleichzeitig viel mehr Vertrauen in die Welt und in den Frieden haben sollten. Und dann rücken diese Konflikte mit der Zeit von selbst in den Hintergrund. Dann wird wahrscheinlich das Streitgespräch von selbst verschwinden :)

  • juuuuulchen

    Hallo Alex, du hast viele gute Punkte angesprochen in deinem Beitrag. Auf die Geschenke (für die Kinder) könnte ich gut verzichten, es kommt mir so vor, als würden sie allmählich dadurch „verdorben“, dass diesen Geschenken immer mehr Bedeutung zukommt und ihnen eingeredet wird, dass nur XY ein „gescheites Geschenk“ ist (wenn es neu, groß, von Marke xy etc. ist). Die schiere Masse, die von Großeltern, Paten etc. geschenkt wird, führt dazu, dass dem einzelnen Geschenk nicht mehr so wahnsinnig viel Wertschätzung zukommt und gleichzeitig ist es auch eine Aufforderung an das Kind „benutz mich, mach was mit mir“. Der Gedanke einfach unter dem (in unserem Falle Plastik)Baum Zeit zusammen zu verbringen, ist schön. Wir haben zwischen den Jahren ganz viel zusammen gespielt und gebaut und mich hat daran nur gestört, dass wir 1. das NEUE Zeug gar nicht gebraucht hätten und dass es 2. alles irrsinnig viel verpackt und insgesamt einfach zu viel war. Aber ich werde da von unserer Konsumgesellschaft wohl auch als extrem wahrgenommen. Was schade ist, ich finde die Leute haben alle den eigentlichen Punkt verpasst: Zeit miteinander verbringen, sich für den anderen interessieren, gemeinsam etwas machen/spielen (dafür ist kaum Zeug und schon gar kein Plastikkram aus China nötig), am besten einfach gemeinsam rausgehen in die Natur. Aber wem sag ich das :-)

    • Alex Autor des Beitrags

      Danke für den Kommentar, Julia :)
      Ich finde es sehr traurig, dass du als Mutter da sehr schwierig rauskommst. Es stimmt schon: was sagt man denn all den Leuten, die es nur gut meinen? Aber es gehört viel Mut dazu klar und deutlich zu sagen: „Bitte keine Geschenke!“ und sich einer Kritik auszusetzen. Viele meinen dann, man wäre ein schlechter Elternteil, fühlen sich persönlich angegriffen, zurückgewiesen usw. Aber wie sollen wir jemals aus dem Konsumwahn rauskommen, wenn wir unsere Kinder immer weiter so erziehen? Es wird nicht anders gehen als es schrittweise zu versuchen, mit viel Verständnis für beide Seiten: die eine, die die Welt verändern will, und die andere, die in alten Strukturen festgefahren ist. So war es schon immer bei Veränderungen :)
      Danke für deinen Einsatz! ;)